Gemüseboom führt zu Geburtenknick? Haben Männer keine „Power“ mehr oder Frauen keine Lust?

Die Geburtenrate in den OECD-Ländern hat sich seit 1960 halbiert, während der Gemüsekonsum sich zeitgleich verdoppelte.

Wie hängen beide Faktoren zusammen? Ist es nur eine zufällige Korrelation oder steckt gar Kausalität dahinter? Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die potenziellen Plausibilitäten.

Mit KI erstellt ∙ 26. Juni 2024 um 523 PM
Mit KI erstellt ∙ 26. Juni 2024 um 523 PM

Die OECD schlägt gerade Alarm wegen sinkender Geburtenzahlen – wie stark ist der Rückgang?

In den Mitgliedsländern der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) ist die Geburtenrate pro Frau seit 1960 etwa um die Hälfte gesunken – das steht im aktuellen OECD-Report „Society at a Glance 2024“, der im Juni veröffentlicht wurde. Es werden also nur noch halb so viele Babys geboren, ein Wahnsinsrückgang! Konkret: Während Frauen im Jahr 1960 noch durchschnittlich 3,3 Kinder zur Welt brachten, waren es 2022 mit 1,5 sogar weniger als die Hälfte. In Deutschland lag der Rückgang bei etwa 40 %. Die OECD warnt daher vor schweren wirtschaftlichen und sozialen Folgen, wenn der „Babyschwund“ so bleibt!

Die Geburtenrate hat sich halbiert, im gleichen Zeitraum hat sich der Gemüsekonsum verdoppelt! Zufall?

Das ist korrekt. im Jahr 1960 lag der Gemüseverzehr/Kopf hierzulande bei etwa 49 KG, im Jahr 2023 bei circa 103 KG – d.h. während die Deutschen ihren Gemüsekonsum verdoppelt haben, haben sie etwa nur noch halb so viel Kinder gezeugt. Die Schlagzeilen lauten dementsprechend: „Doppelter Gemüseverzehr führt zu Halbierung der Geburtenrate“ oder „Je mehr Gemüse auf dem Teller, desto weniger Babys im Kreißsaal“ und „Mehr Gemüse = weniger Nachwuchs!“ – auch Hypothesen werden kreiert: „Macht ein hoher Gemüsekonsum uns zu Sexmuffeln oder gar unfruchtbar?“ Das kann doch alles kein Zufall sein. Oder doch? Keiner weiß es. Was wir aber wissen: Genau nach diesem Schema werden aus banalen luftleeren Zusammenhängen sowohl dramatische Schlagzeilen gemacht wie „Vollkornmangel erhöht Herztodrisiko“ als auch gehaltlose Versprechungen „Ballaststoffe verlängern das Leben“. Man braucht dazu einfach nur ein paar „Plausibilitäten“. damit die Korrelation realer wirkt, denn das gehört zum Schema X dazu:

Wie könnte zu viel Gemüse zu weniger Babys führen? Das klingt ja erstmal absurd.

Dazu ließen sich derzeit nur Hypothesen aufstellen- und zwar auf Basis plausibler Erklärungsversuche: Es könnte beispielsweise mit den Phytoöstrogenen in Verbindung stehen. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind in Obst und Gemüse enthalten. Ihre Struktur ähnelt dem körpereigenen weiblichen Sexualhormon Östrogen, weshalb sie oft „pflanzliches Östrogen“ genannt werden Untersuchungen an Tieren haben z.B. gezeigt dass Phytoöstrogene einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben können. Bei Soja zeigten sich negative Effekte auf die Fortpflanzungshormone, Spermienproduktion und Fruchtbarkeit. Und US-Wissenschaftler warnen, dass der Verzehr von Sojaprodukten auch für Männer mit Kinderwunsch riskant sein kann – denn dadurch könnte die Spermienkonzentration sinken. Dies geht aus einer Studie hervor, die 2023 in Europas führender Fachzeitschrift für Reproduktionsmedizin veröffentlicht wurde. Des Weiteren könnten viele Phytoöstrogene auch zu einer gewissen „Verweiblichung des Mannes“ führen. Bei erhöhter Aufnahme entwickelt sich eventuell eine „weiche Männerbrust“, die Gynäkomastie (Brustdrüsen vergrößern sich und die Brust wächst – aber nicht mit Muskeln, sondern durch Schwabbelfett). Und das macht sicher weder den Betroffenen noch Frauen Lust auf Sex. Alles nur Spekulation um den Brustspeck, aber eben plausibel. So „lullt“ die Ernährungs-PR Medien und Menschen ein.

Wieso spiegelt dieser Zusammenhang „Gemüseverzehr & Geburtenrate“ das Kernproblem der Ernährungswissenschaften wider?

Das ist einfach erklärt: Banale Korrelationen werden zu Kausalitäten umgedeutet – also einfache statistische Zusammenhänge bekommen ein „Upgrade“ zum Ursache-Wirkungs-Beleg. Das aber ist wissenschaftlich nicht möglich. Das Problem an der Aussage „Doppelter Gemüseverzehr führt zu Halbierung der Geburtenrate“ ist: Obgleich beide Entwicklungen im gleichen Zeitraum beobachtet wurden, so existiert trotzdem keine  Kausalevidenz, dass der erhöhte Gemüseverzehr die niedrige Geburtenrate verursacht . Und schon gar nicht alleine, also als einziger Auslöser. Genauso ist es bei den großen Volkskrankheiten – auch sie basieren stets auf einem hochkomplexen Mix potenzieller Ursachen resultierend aus dem individuellen Zusammenspiel zahlreicher persönlicher Lebensstilfaktoren. Aber sicher nicht auf einem einzigen Nahrungsmittel oder gar nur einem Bestandteil davon. Daher gleicht Ernährungswissenschaft dem Lesen einer Glaskugel und niemand weiß bis heute. was gesunde Ernährung ist.

Wenn es keine Beweise für gesunde Ernährung gibt, wie ernähre mich dann gesund?

Das ist relativ einfach, denn es gibt nur einen, der weiß, welche Ernährung für Sie persönlich die beste und gesündeste ist – und das ist ihr eigener Körper. Daher gilt: Es gib so viele gesunde Ernährungen, wie es Menschen gibt, denn: Jeder Mensch is(s)t anders. Welche Ernährung also individuell am besten zu Ihnen passt, das erfahren Sie durch die natürlichste Ernährungsart des Menschen: Mit Intuitivem Essen und dem Vertrauen in den eigenen Körper kann man nachhaltig individuell gesunde Ernährungsgewohnheiten entwickeln – und seinen persönlichen „Schlüssel zum biologischen Wohlfühlgewicht“ finden. Hingegen braucht kein gesunder Mensch auch nur eine einzige Ernährungsregel.