Wirtschaftsinstitut fordert Zuckersteuer

Noch ein Ernährungspapst.

Von Detlef Brendel

Zucker
Foto: jan mesaros auf Pixabay

Es ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, dass sich Menschen zu Ernährungsexperten aufschwingen, die schon einmal ein Schnitzel unfallfrei gegessen haben. Bei dem Thema Ernährung glaubt offenbar jeder Praktiker Kompetenz zu haben. Nachdem die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) publiziert hat, dass ihre Leitlinien auf neuen mathematischen Modellen basieren, will auch das eigentlich in der Welt der Zahlen kompetente Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Ernährungsfragen nicht zurückstehen. Es empfiehlt eine gestaffelte Zuckersteuer.

Als ernährungsrelevante Begründung plappert Renke Schmacker, Verhaltensökonom und Autor einer Studie, unkritisch die von NGOs seit Jahren aufgestellten Behauptungen nach – von Übergewicht über Diabetes bis zu Zahnkaries. Der Mann hätte sich von Fachleuten aufklären lassen sollen. Die Ursachen für Übergewicht sind sehr komplex, die schlichte Formel Zucker macht Zucker trifft nicht zu und die Zahngesundheit der Deutschen, speziell auch die der Kinder, ist auf einem hohen Niveau.

In einem YouTube-Video macht Schmacker seine Forschung zur Zuckersteuer transparent. In Dänemark hat es mit einer solchen Steuer nicht funktioniert. Die eigentlichen Adressaten, die man mit einer Strafsteuer erreichen möchte, werden in der Realität nicht erreicht, weil sie eine zu geringe Selbstkontrolle haben. Er argumentiert das plastisch mit Petra, die eine niedrige Selbstkontrolle hat, und dem guten Beispiel von Claudia mit hoher Selbstkontrolle. So geht also moderne Wissenschaft. Auf jeden Fall ist eine Steuer nach seiner Meinung nicht schlecht, weil sie zumindest Steueraufkommen generiert. Gut sind nach Schmackers Meinung die Ergebnisse einer Strafsteuer in England. Auch da irrt der Mann gewaltig. Offenbar ist er in fiskalischen Fragen so inkompetent wie in ernährungsmedizinischen Fachgebieten.

Cambridge University sieht keinen Effekt der Steuer

Nina Rogers, Epidemiologin an der Cambridge University, hat erforscht, wie sich die Zuckersteuer auf Softdrinks in Großbritannien auf die Gesundheit von Kindern ausgewirkt hat. Ihre Aussagen sind desillusionierend. Die stärksten Veränderungen ließen sich bei Mädchen im Alter von zehn bis elf Jahren feststellen. Bei ihnen nahm das krankhafte Übergewicht um beachtliche 1,6 Prozent ab. Rogers stellt fest, dass man sehr sorgfältig messen und rechnen muss, um überhaupt eine Gewichtsreduktion zu ermitteln.

Ein gewisser Unterschied habe sich in sozial benachteiligten Gegenden gefunden. Hier ging die Zahl der adipösen Mädchen in dieser Altersgruppe um 2,4 Prozent zurück. Auf den Aspekt der sozialen Benachteiligung weist die Studie der Cambridge University sogar bereits in der Einleitung hin. Er lautet: „Zuckergesüßte Getränke sind die Hauptquelle für Zuckerzusätze bei Kindern, wobei ein hoher Konsum häufig in benachteiligten Gebieten beobachtet wird, in denen auch die Prävalenz von Fettleibigkeit am höchsten ist.“ Das Problem hat also offenbar etwas mit dem Lebensstil zu tun. Die Erkenntnisse der Forschung in Cambridge sind ernüchternd, weil sich der Effekt einer Strafsteuer lediglich in geringen Gewichtsveränderungen bei 10- und 11-jährigen Mädchen gezeigt hat.

Nina Rogers erklärt zu den Untersuchungsergebnissen, dass sich bei den 4- bis 5-Jährigen nicht der Effekt feststellen ließ. Auch nicht bei Jungen. Da müsse man weiter forschen, um herauszufinden warum das so ist. Interessanterweise kam eine Studie in Mexiko zum gleichen Ergebnis, nämlich das Jungs nicht so gut auf die Zuckersteuer reagiert haben. Im Prinzip ist man durch die Forschung an der Cambridge University zu der Erkenntnis gekommen, dass die Steuer in England nichts gebracht hat. Deshalb wird auch in den Schlussfolgerungen formuliert, dass zusätzliche Strategien erforderlich sein werden, um die Prävalenz von Fettleibigkeit zu verringern.

Wenn schon eine direkte Strafsteuer auf kritisierte Produkte nichts bringt, werden Werbeverbote erst recht keinen Effekt bei überflüssigen Pfunden haben. Auch die fordert Schmackers ganz forsch und ohne jede Begründung. Woher auch? Der junge Wissenschaftler wird sich entscheiden müssen, was er will – Steuerfachmann am DIW werden oder ein weiterer Ernährungsexperte bei den NGOs. In beiden Fällen sollte er sich mit Fakten beschäftigen, um sich aus seiner Inkompetenz zu befreien, bevor er ohne jede Grundlage nationale Empfehlungen publiziert.